Samstag, 31. Januar 2015

IG Farben IQ Punx

Bionda hat mit Roth ausgemacht, dass sie zusammen studieren gehen. Germanistik und Soziologie. Das ist gut, da braucht man kein Latein. Latein, allein das Wort hört sich anstrengend an. Gleich wollen sie los, nun steht Bionda vor dem Spiegel und probiert ihr Studie-Outfit. Sie weiß gar nicht genau, wie sie als Studie aussehen will. Wohl ein bisschen unauffälliger als sonst, aber bloß nicht zu angepasst, die anderen Tussen sollen nicht denken, dass sie Angst vor ihnen hat. Eigentlich war das eine blöde Idee, Studieren. Sie traut sich das gar nicht zu, das Abi ist schon so lange her und sie weiß auch gar nicht mehr, wie sie das geschafft hat. Naja, tröstet sie sich, sie macht einfach ein hochmütiges Gesicht und sagt nichts, dann wird sie schon nicht auffallen. Jetzt klingelt es, Roth, sie sieht aus wie immer, diese grüne, türkische Pluderhose mit dem Blümchenmuster hat sie oft an. So oft, dass Bionda immer hofft, dass sie bald kaputt ist. Die sieht echt so Scheiße aus. Das Grün aus Roths Haaren ist weitgehend rausgewaschen, schimmert nur noch ein bisschen in dem Blond. Roth ist kräftig gebaut und verhält sich so burschikos, dass Bionda oft gefragt wird, ob ihre Freundin eine Lesbe ist. Meistens sieht ihr Gesicht streng und zurückweisend aus, aber wenn sie einfach nur lächelt wirkt sie mädchenhaft. Dann ist sie hübsch, aber sie tut immer so, als wenn sie das gar nicht interessiert.
Jetzt ist es Zeit, also laufen sie die wenigen Straßen zur germanistischen Fakultät. Auf dem Weg unterhalten sie sich über Alltägliches, so, als wären sie nicht aufgeregt. Sicherheitshalber haben sie alle Kurse zusammen belegt, im nächsten Semester können sie sich ja trennen.
In dem Seminar ist alles gar nicht mehr so beängstigend, wie Bionda es sich vorher vorgestellt hat. Die Mädels, es sind fast alles Mädels, sehen völlig normal aus, jedenfalls nicht herausragend intelligent. Vielleicht kann Bionda ja doch mithalten. Aber das Thema..hmm..war das eine gute Idee? „Migrationstexte- eine fünfte deutsche Literatur?“ Die vorliegenden Texte erscheinen Bionda so flach und banal, sind sie das oder versteht Bionda mal wieder nur die Hälfte. Da fand sie „Abschied von den Eltern“ von Peter Weiß schon interessanter, das mussten sie zur Vorbereitung auf ein Pflichtseminar, „Analytische Literaturwissenschaft“, lesen. Naja, ihre Eltern sind noch recht jung, aber trotzdem war die Geschichte ganz spannend.
 „Was bedeutet Gruppe 47?“ Bionda schreckt aus ihren Gedanken auf. Die Frage kam von Roth. Ist das peinlich!!! Der Dozent hatte gerade die Migrationsliteratur mit der Nachkriegsliteratur verglichen und deswegen die Gruppe 47 erwähnt. Roth kennt die nicht, also, kann ja mal passieren, aber da hält man doch den Mund! Bionda versucht sich neben Roth wegzuzaubern. Der Dozent reagiert ganz neutral und gibt in wenigen Sätzen einen guten Überblick, wer alles zur Gruppe gehört hat und was sie ausmacht. So profitiert auch Bionda, sie wusste nur Gruppe 47= Max von der Grün. Trotzdem plant sie im nächsten Semester ihre Kurse alleine zu belegen, Roth ist mit ihrer Offenheit einfach zu peinlich.

Auf dem Heimweg stellt Bionda sich vor, sich vom Dozenten flachlegen zu lassen. Sie würde sein Schlafzimmer ganz gerne mal sehen. Er könnte sie ausführen, zum Essen, Konzerte, er könnte mit seiner coolen, jungen Punk-Frau angeben, das wär doch nett….so einer, der sein Leben ganz im Griff hat, so ein bisschen Luxus… Zuhause sind Violet und Blues beim Frühstück. Bionda ist ein bisschen neidisch. Ausschlafen, lange frühstücken und dann direkt in die Abendgestaltung übergehen, das mag sie auch gern. Allerdings, sie macht jetzt was, sie studiert jetzt. Ja. Das ist schon richtig. Sie legt sich im Wohnzimmer auf die Couch und stellt sich vor, wie sie, die tolle Punk-Dozentin, von ihren Studentinnen angehimmelt wird, „Fancines- eine sechste deutsche Literatur, die verborgene Lyrik in Punk-Texten.“  Schwachsinn! Das ganze Gelaber um Punk. Sie sind keine Punx! Blues noch am ehesten, aber auch nicht wirklich. Sie ziehen sich gerne so an: Leggins mit Springerstiefeln und Lederjacke, sieht halt cool aus. Und die Haare schön krass tönen, das wars aber auch schon. Deswegen hält sie die ganze Welt für Punx, außer den Punx natürlich, die wissen dass sie nicht dazu gehören. Das ist eigentlich nur Mode, aber echter Punk ist eine Lebenseinstellung. Außerdem sind sich alle vier einig, die tollste Musik zur Zeit kommt von Joe Jackson. „Stepping out“, da können sie alle richtig abgehen, wie fröhlich der vom Schritt aus dem Leben singt! Das ist der Hammer! Bionda weiß gar nicht, was für eine Musikrichtung das ist, aber bestimmt kein Punk. Wie auch immer, sie macht was, sie macht was aus sich. Nicht mehr einfach in den Tag rein leben. Weniger Alkohol. Ja, genau, weniger Alkohol. Bevor Roth in die Bibliothek gegangen ist, hatten sie über ihren Alkoholkonsum gesprochen, Roth hatte gesagt, dass sie sich seit ihrem 13. Lebensjahr an keinen Tag erinnern kann, an dem sie keinen Alkohol getrunken hat. Bionda war geschockt und hat Roth empfohlen mal eine Woche Alk-frei zu machen um zu schauen, wie es ihr ohne Alkohol geht. Puh, neun Jahre durchgehend besoffen, oder wie soll sie Roth da verstehen. Sie macht sich bereit ihrer Freundin zur Seite zu stehen. Aber eigentlich kennt sie sich da gar nicht aus, oder? Einmal hat sie einen mitgekriegt, bei einer Party, da war der Alk alle, der Typ ist auf allen vieren rumgekrabbelt und hat gewinselt, dass ihm einer was zu trinken besorgen soll. Könnte Roth so abgehen? Doch hoffentlich nicht

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