Samstag, 3. Januar 2015

IG Farben Blues


Das sind jetzt wieder extrem komische Typen, mit denen sie da durch die nächtliche Stadt laufen, findet Blues zumindest. Das sind so Normalos, also Langweiler. Wenn auf der Party noch mehr so Typen rumlaufen, dann wird Blues da nicht alt. Bionda hat den Kontakt klar gemacht, läuft jetzt auch einige Meter weiter vorne und unterhält sich mit Zweien. Roth und Violet laufen hinten, unterhalten sich angeregt, Blues hört das ungestüme Gackern von Roth, naja, die kann sich immer über alles beömmeln.  Der Dritte läuft leider neben Blues. Was will der?  Also mit smalltalk  kennt Blues sich aus. Man könnte sagen, sie ist eine elegante Unterhalterin. Das schüttelt sie schnell mal aus dem Ärmel, amüsant und doch irgendwie distanziert plaudert sie über das Leben. So hält sie den Langweiler bei der Stange. Eigentlich würde sie sich gerne zu ihren Freundinnen hinten gesellen, wenn Roth so prustet, dann muss das da schon wieder richtig lustig sein. Andererseits sind die drei Jungs ihre Eintrittskarte zu der heutigen Party. Blues Geplauder ist der Einsatz, Bionda vorne investiert auch, die Beiden hinten haben mal wieder freien Eintritt. Oh, Mann, der Fußweg zur Kantstraße ist ganz schön weit, wer wohnt eigentlich so weit ab vom Schuss? Wenn das hier noch lange geht, dann ist der Typ am Ende in sie verknallt und sie wird ihn den ganzen Abend nicht mehr los und außerdem, was ist das hier eigentlich für eine Gegend, alles wirkt so gediegen und aufgeräumt, hier passen sie überhaupt nicht her. Blues verlangsamt den Schritt, damit Roth und Violet  aufschliessen können, das Gespräch soll sich mischen, der Langweiler nicht mehr so fasziniert an ihren Lippen hängen. Nun sind sie aber auch endlich angekommen. Bionda und die Jungs vorne biegen nach rechts in eine Einfahrt ein, sie stehen vor einem wunderschönen Haus, aus dem zweiten Stock dröhnt lauter Bass und sie hören das übliche Stimmengewirr. Die Eingangstür steht weit offen,  die Treppe hoch und was ist denn hier los? In so einer Wohnung war Blues noch nie. Parkettboden, sogar Teppiche, wo soll sie denn da mit ihrer Kippe hin? Also erstmal einen Aschenbecher suchen. Im vorbeigehen bemerkt sie, dass sie die meisten Leute nicht kennt, manche vom sehen, alles ist hier so adrett und fein. Nicht nur die Party, auch die Gesichter sind so aufgeräumt. Blues fühlt sich unwohl, sie passt hier nicht her. Sie ist dann lieber in dreckigen, versifften Kellern, wo es warmes Dosenbier und Salzstangen gibt. Hier gibt es ein Buffet, viele haben was zu essen mitgebracht. Sowas kennt sie eher von zu Hause, Tanten und Onkels feiern so, ne, hier fühlt sie sich unwohl. Sie sucht nach ihren Freundinnen, sie will wieder abhauen. Violet und Roth hat sie schnell ausfindig gemacht, die stehen genauso blöd rum, wie Blues sich fühlt. Die drei brauchen nicht groß zu reden, die Sache ist klar, Bionda abholen und dann vielleicht doch probieren, ob sie in die Disco reinkommen. Oh je, Bionda hat schon wieder vier Jungs um sich rum stehen, an ihrer Körperhaltung  können die drei Mädels erkennen, wie sehr Bionda die Situation genießt. Bionda steht erstmal fest, das ist klar. Die drei anderen sind unentschieden, hier fühlen sie sich unwohl, die Nacht gibt aber nicht mehr viel her, also doch noch mal gucken, oder vielleicht abhotten, auf der Tanzfläche, aber die Musik! Welcher Opa legt denn da auf?
Blues geht erst mal Bier holen. Oh, ah, es ist wohl umsonst!? Sie erkundigt sich sicherheitshalber noch bei den Umstehenden nach einer Kasse, aber ja, wirklich umsonst! Vielleicht sollten sie doch hier bleiben. Mit den Flaschen in der Hand kehrt sie zurück zu Violet und Roth, die jetzt am Rand der Tanzfläche stehen. Eigentlich könnte man sich hier gut schütteln, es gibt schon einige Tänzer, aber da ist noch genügend Platz. „Jetzt Billy Idol, I am a passenger, da könnten wir die mit einem geilen Pogo von der Tanzfläche kicken!“, sagt Blues und verteilt das Bier. „Da läuft aber Eurythmics, das ist Pest!“ bemerkt Roth und trinkt ihr neues Bier in einem Zug halb leer. Nach 20 Sekunden reißt sie den Mund weit auf und lässt ihren üblichen lauten Rülpser frei. Die drei Mädchen einigen sich, dass Violet ihr Glück beim DJ versuchen, ihm ein paar Vorschläge zur Auswahl unterbreiten soll. Sie stehen noch 20 Minuten an der Tanzfläche, der DJ scheint abgeneigt. Soll noch mal eine Andere hingehen? Wahrscheinlich ist das völlig unnütz, die Leute wollen sie hier nicht haben. Sie haben sich eine neue Abendgestaltung überlegt, verabschieden sich von Bionda und gehen noch mal zu den Bierkästen in der Küche. Roth füllt ihre Hände am Büffet, sie brauchen jetzt Wegzehrung, die beiden anderen stecken Bierflaschen in alle Jackentaschen und nehmen jeweils zwei in jede Hand. Wie um sich für das Unwohlsein zu rächen laufen sie mit erhobenem Haupt und 12 Flaschen Bier zur Tür raus.

Eigentlich war der Plan zügig nach Hause zu gehen. Violet hat noch Cappies, Captagon, das wollten sie einpfeifen und dann zum Sonnenaufgang auf den Berg. Aber das viele Bier schleppt sich nicht so gut. Sie kommen auf ihrem Weg zu einem kleinen Platz mit Kirche und Brunnen, sie setzen sich auf die Brunnenumrandung und richten sich mit Bier und kaltem Zwiebelkuchen gemütlich ein. Sie müssen sich jetzt, im Nachhinein, gegen die Abneigung, die sie auf der Party gespürt hatten, wappnen. Aufgekratzt beölen sie sich mit vollem Mund über diese Spießer. Roth findet alles schon wieder so lustig, dass sie das Essen nicht im Mund behalten kann. Morgens um drei machen sie hier so viel Lärm, dass die Vögel aufgeschreckt anfangen zu zwitschern. Blues merkt, dass sie sich schon wieder unbekannte Feinde machen und will hier weg. Sie leeren noch das angefangene Bier und ziehen weiter. Jetzt sind sie schon ganz hübsch angetütert, jede hat noch 2 Flaschen Bier in der Hand, Captagon wäre jetzt Perlen vor die Säue, oder heißt es für die Säue? Jedenfalls haben sie beschlossen  auf neuen Wegen geruhsam Richtung Berg zu laufen, das Bier in den Händen tröstet sie über den verhunzten Abend hinweg.

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