Samstag, 26. September 2015

Der rote Mond Der Tanzkreisel

Mit Thomas, das ist einfach schön. Er hat Zeit für sie, er ist amüsant, er interessiert sich für sie. Sie ist zwar anfangs noch unsicher, aber er badet sie in Öl und sie kann immer mehr loslassen. Sie hält sich an Silke H.  „Wenn er dein Freund wäre…“ Sie will nichts riskieren, unterdrückt also konsequent ihren Beziehungswunsch und verhält sich nur freundschaftlich. Auf dieser Ebene kann sie sich sehr einlassen und er macht es ihr so leicht. Er hat immer Zeit für sie, ist immer liebevoll und akzeptiert alles, was sie von sich zugibt. Er sitzt auch ganz oft abends in der Kneipe, wenn sie kommt. Also auch dort wird er zum sicheren Hafen für sie. Er ebnet ihr den Weg, wenn er da ist, kann sie alle Sorgen über Bord schmeißen und ihre Freiheit genießen: einfach rauslassen, ohne zu überlegen! Ok. Genau, das ist ein Teil ihrer Freiheit: einfach agieren und sich selber dabei zuschauen, der Zensor ist im Keller eingesperrt. So ist Thomas, diese wunderbaren braunen Augen, so warm.

Nachmittags hören sie Musik bei ihm und unterhalten sich. Das ist meistens nicht besonders tiefschürfend, das Interesse gilt der Musik. Thomas unterrichtet sie in Musik, aber sie empfindet das nicht als Unterricht. Sie hören zusammen die Musik an, er macht sie auf besondere Beats oder Gitarrensoli aufmerksam, sie sagt was ihr gefällt. Dann mischt er ihr eine Kassette zusammen, die sie mitnimmt und zu Hause anhört, bis sie Bandsalat produziert. Er schult ihr Ohr, die Musik wird immer komplizierter. Sie merkt, dass er ihren Geschmack akzeptiert, trotzdem sagt sie ihm nicht, dass sie sich die Platte von Mothers Finest gekauft hat. Baby Love. Das haut rein. Das geht voll in die Beine, nein, in den ganzen Körper, sie kann sich zu dem Rhythmus schütteln wie eine Besessene. Da spürt sie Hingabe ohne Selbstverlust. Diese Musik ist so kraftvoll, so lebensbejahend und dadurch auch so befremdlich. Erika könnte das Lied ewig anhören. Sie spürt, dass ihre Sehnsucht dahingeht, sie möchte einen Mann so lieben, sich so hingeben, das so kraftvoll erleben. Und das macht so ANGST. Darüber möchte sie nicht mit Thomas reden. Also reden sie weiter über Eric Clapton und Steppenwolf, das ist auch interessant. Er erzählt ihr auch vom Kiffen. Sie ist sehr interessiert. Sie möchte ja am liebsten die ganze Welt probiert haben, noch bevor sie 20 ist. Wieder macht er ihr alles ganz angenehm. Sie sitzen bei ihr im Zimmer, er dreht den Joint, angenehme Musik, zu Essen, zu Trinken, er hat an alles gedacht. Sie ist natürlich ein bisschen aufgeregt, oder freudig erregt, auch ängstlich. Bei aller Sicherheit, die er ihr gibt, will sie natürlich immer noch gefallen. Freiheit, ja ja, aber das Gefallen steht weiter im Vordergrund. Drogen assoziiert sie mit Kontrollverlust, aber natürlich ist Thomas der sicherste Hafen, den man sich dafür vorstellen kann, also unterdrückt sie ihre Sorgen und zieht an der Tüte. Der Nachmittag wird super. Sie können sich über alles schlapplachen, es ist so kurzweilig, im Handumdrehen ist es Abend und sie gehen in die Kneipe, um den Rausch mit Bier abzurunden. Vom vielen Lachen hat sich eine grinsende Maske in ihrem Gesicht festgesetzt, die sie jetzt in die Kneipe trägt. Sie fühlt sich wissend und erfahren, sie kennt sich aus mit Drogen.
Erika liest den Steppenwolf von Hesse. Sie will sich bilden, mitreden können, hatte Thomas ihr das Buch empfohlen? Etwas atemlos kämpft sie sich durch die Seiten. Atemlos und gleichzeitig träge gelangweilt. Was ist mit diesem Haller/Wolf? Was will der eigentlich?  Genauso schlau wie vorher klappt sie das Buch am Ende wieder zu. Von eigenen Bildungsimpulsen nimmt sie erstmal wieder Abstand. Sie hat nicht gemerkt, dass sie in dem Buch eigentlich in den Spiegel geschaut hat

Jetzt hat sie doch eigentlich alles beisammen. Aus der Schaukel ist ein Netz geworden. Sie hat die Freunde, die sie will, mit Otto ist sie in guter Verbindung, die Welt könnte in Ordnung sein. Sie traut sich den Köpper in den Abgrund, sie weiß, da ist ein gutes Netz, das ihren Sprung sanft auffängt. Aber sie bleibt verhaftet in ihren Strukturen. Es bleibt dieses unstillbare Sehnen. Sie macht immer wieder neue Leute ausfindig, wo sie um Anerkennung kämpfen muss. Sie findet neue Gipfel, die sie erklimmen muss, immer sieht sie sich in einer Unzufriedenheit, im Mangel.

Ihre Beziehung zu Fatma hat sich sehr angenehm entwickelt. Erika ist sehr vertrauensvoll und hat den Eindruck, dass Fatma ein gutes Gespür für sie hat. Fatma selbst ist auch so lebenshungrig, dabei aber nicht so gierig wie Erika. Fatma hat zu vielem Lust: Kiffen, Ausgehen, neue Leute, neue Länder. Bei all dem aber, kennt sie ihr Maß und bleibt auf dem Boden der Tatsachen. Eigentlich ist sie der Pflock und Erika der Gaul. Das Bild ist zu lustlos. Fatma ist die Sonne und Erika der Planet. Jedenfalls umkreist Erika Fatma, die geerdet ist und ziemlich klar ihren Weg geht. Fatma lässt sich von Erika gerne mitreißen, Möglichkeiten eröffnen, Horizonte verschieben, aber sie weiß immer was ihr guttut. Erika weiß das nicht, wie ein Tanzkreisel, der aus dem Lot ist, eiert sie immer größere Ellipsen, auf der Suche nach Grenzen, die sie nicht akzeptieren wird, durchbrechen will. Für diese Mauern, die sie unbedingt einreißen will, verbraucht sie ihre Energie. Fatma steht ihr bei, in dem Schlamassel, schaut zu, lässt sich unterhalten, sammelt Erika ein, wenn sie zu fertig ist fürs Leben

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