Bionda hat mit Roth ausgemacht, dass sie zusammen studieren
gehen. Germanistik und Soziologie. Das ist gut, da braucht man kein Latein.
Latein, allein das Wort hört sich anstrengend an. Gleich wollen sie los, nun
steht Bionda vor dem Spiegel und probiert ihr Studie-Outfit. Sie weiß gar nicht
genau, wie sie als Studie aussehen will. Wohl ein bisschen unauffälliger als
sonst, aber bloß nicht zu angepasst, die anderen Tussen sollen nicht denken,
dass sie Angst vor ihnen hat. Eigentlich war das eine blöde Idee, Studieren.
Sie traut sich das gar nicht zu, das Abi ist schon so lange her und sie weiß
auch gar nicht mehr, wie sie das geschafft hat. Naja, tröstet sie sich, sie
macht einfach ein hochmütiges Gesicht und sagt nichts, dann wird sie schon nicht
auffallen. Jetzt klingelt es, Roth, sie sieht aus wie immer, diese grüne, türkische
Pluderhose mit dem Blümchenmuster hat sie oft an. So oft, dass Bionda immer
hofft, dass sie bald kaputt ist. Die sieht echt so Scheiße aus. Das Grün aus
Roths Haaren ist weitgehend rausgewaschen, schimmert nur noch ein bisschen in
dem Blond. Roth ist kräftig gebaut und verhält sich so burschikos, dass Bionda
oft gefragt wird, ob ihre Freundin eine Lesbe ist. Meistens sieht ihr Gesicht
streng und zurückweisend aus, aber wenn sie einfach nur lächelt wirkt sie
mädchenhaft. Dann ist sie hübsch, aber sie tut immer so, als wenn sie das gar
nicht interessiert.
Jetzt ist es Zeit, also laufen sie die wenigen Straßen zur
germanistischen Fakultät. Auf dem Weg unterhalten sie sich über Alltägliches, so,
als wären sie nicht aufgeregt. Sicherheitshalber haben sie alle Kurse zusammen
belegt, im nächsten Semester können sie sich ja trennen.
In dem Seminar ist alles gar nicht mehr so beängstigend, wie
Bionda es sich vorher vorgestellt hat. Die Mädels, es sind fast alles Mädels,
sehen völlig normal aus, jedenfalls nicht herausragend intelligent. Vielleicht
kann Bionda ja doch mithalten. Aber das Thema..hmm..war das eine gute Idee?
„Migrationstexte- eine fünfte deutsche Literatur?“ Die vorliegenden Texte
erscheinen Bionda so flach und banal, sind sie das oder versteht Bionda mal
wieder nur die Hälfte. Da fand sie „Abschied von den Eltern“ von Peter Weiß
schon interessanter, das mussten sie zur Vorbereitung auf ein Pflichtseminar,
„Analytische Literaturwissenschaft“, lesen. Naja, ihre Eltern sind noch recht
jung, aber trotzdem war die Geschichte ganz spannend.
„Was bedeutet Gruppe
47?“ Bionda schreckt aus ihren Gedanken auf. Die Frage kam von Roth. Ist das
peinlich!!! Der Dozent hatte gerade die Migrationsliteratur mit der
Nachkriegsliteratur verglichen und deswegen die Gruppe 47 erwähnt. Roth kennt
die nicht, also, kann ja mal passieren, aber da hält man doch den Mund! Bionda
versucht sich neben Roth wegzuzaubern. Der Dozent reagiert ganz neutral und
gibt in wenigen Sätzen einen guten Überblick, wer alles zur Gruppe gehört hat
und was sie ausmacht. So profitiert auch Bionda, sie wusste nur Gruppe 47= Max
von der Grün. Trotzdem plant sie im nächsten Semester ihre Kurse alleine zu
belegen, Roth ist mit ihrer Offenheit einfach zu peinlich.
Auf dem Heimweg stellt Bionda sich vor, sich vom Dozenten
flachlegen zu lassen. Sie würde sein Schlafzimmer ganz gerne mal sehen. Er
könnte sie ausführen, zum Essen, Konzerte, er könnte mit seiner coolen, jungen
Punk-Frau angeben, das wär doch nett….so einer, der sein Leben ganz im Griff
hat, so ein bisschen Luxus… Zuhause sind Violet und Blues beim Frühstück.
Bionda ist ein bisschen neidisch. Ausschlafen, lange frühstücken und dann
direkt in die Abendgestaltung übergehen, das mag sie auch gern. Allerdings, sie
macht jetzt was, sie studiert jetzt. Ja. Das ist schon richtig. Sie legt sich
im Wohnzimmer auf die Couch und stellt sich vor, wie sie, die tolle
Punk-Dozentin, von ihren Studentinnen angehimmelt wird, „Fancines- eine sechste
deutsche Literatur, die verborgene Lyrik in Punk-Texten.“ Schwachsinn! Das ganze Gelaber um Punk. Sie
sind keine Punx! Blues noch am ehesten, aber auch nicht wirklich. Sie ziehen
sich gerne so an: Leggins mit Springerstiefeln und Lederjacke, sieht halt cool
aus. Und die Haare schön krass tönen, das wars aber auch schon. Deswegen hält
sie die ganze Welt für Punx, außer den Punx natürlich, die wissen dass sie
nicht dazu gehören. Das ist eigentlich nur Mode, aber echter Punk ist eine
Lebenseinstellung. Außerdem sind sich alle vier einig, die tollste Musik zur
Zeit kommt von Joe Jackson. „Stepping out“, da können sie alle richtig abgehen,
wie fröhlich der vom Schritt aus dem Leben singt! Das ist der Hammer! Bionda
weiß gar nicht, was für eine Musikrichtung das ist, aber bestimmt kein Punk. Wie
auch immer, sie macht was, sie macht was aus sich. Nicht mehr einfach in den
Tag rein leben. Weniger Alkohol. Ja, genau, weniger Alkohol. Bevor Roth in die
Bibliothek gegangen ist, hatten sie über ihren Alkoholkonsum gesprochen, Roth
hatte gesagt, dass sie sich seit ihrem 13. Lebensjahr an keinen Tag erinnern
kann, an dem sie keinen Alkohol getrunken hat. Bionda war geschockt und hat
Roth empfohlen mal eine Woche Alk-frei zu machen um zu schauen, wie es ihr ohne
Alkohol geht. Puh, neun Jahre durchgehend besoffen, oder wie soll sie Roth da
verstehen. Sie macht sich bereit ihrer Freundin zur Seite zu stehen. Aber
eigentlich kennt sie sich da gar nicht aus, oder? Einmal hat sie einen
mitgekriegt, bei einer Party, da war der Alk alle, der Typ ist auf allen vieren
rumgekrabbelt und hat gewinselt, dass ihm einer was zu trinken besorgen soll.
Könnte Roth so abgehen? Doch hoffentlich nicht