Freitag, 27. Februar 2015

IG Farben Komm wir wollen Freundinnen sein, für immer

Da gab es mal einen besonderen Abend, an den Bionda sich gerne erinnert. Bionda hat ja einen sehr skurrilen Drogendealer, der hier unbedingt erwähnt werden muss. Er heißt Günther, er ist viel jünger als er aussieht. Er war mal im Knast, dort ist er körperlich völlig fertig gemacht worden. Er steht auf Bionda, war ja klar, so bekommt sie alles, was sie braucht, entweder umsonst, oder zum Einkaufspreis. Bionda versteht sich gut darauf, ihn mit Lächeln und anderen Aufmerksamkeiten bei der Stange zu halten. Der Abend damals ist für Bionda der Beginn ihrer Freundschaft mit Roth. Alle tun immer so, als wären sie eine lockere Clique, aber so ist das nicht. Violet und Blues kommen aus der gleichen Gegend, ihr abgefahrener Dialekt verbindet sie. Bionda fühlt sich mehr und mehr mit Roth verbunden. Sie machen ja auch immer mehr zusammen. Ihre Feierzeit verbringen sie ja sowieso schon zusammen, oft zu viert. Aber Bionda und Roth gehen seit Oktober zusammen studieren, außerdem ist Roth schon vor einiger Zeit zu Biondas Theatergruppe hinzugestoßen. Also, es war so, dass Bionda Roth gefragt hat, ob sie nicht dazu kommen will. Roth hat sich da sehr gut eingefügt und hat super Ideen. Zuerst hat Roth Bionda geholfen ein Stück auswendig zu lernen. Ein 2 Frauen Stück von Slawomir Mrozek, es geht um Kommunikation. Dann haben sie beschlossen, es zusammen aufzuführen. Das ist nur so ein 15 Minuten Teil, das haben sie einfach eingebettet in ein riesiges Spektakel, das sie an der alten Uni im großen Saal dargeboten haben. Roth hat sich mehr und mehr eingebracht. Sie haben das Spektakel dreimal aufgeführt, am Ende war Roth in fast jeder Szene dabei und hatte alles ordentlich aufgepeppt. Danach war die Theatergruppe gut bekannt und hätte mit einem Rülpskonzert den Audimax füllen können. Sie haben angefangen zu aktuellen Stadtthemen kleine Sachen zu inszenieren und im VZ, im Obergeschoss, aufzuführen. Als letztes ging es um eine neue Initiative der Stadtverwaltung: in der Innenstadt sitzen viele Punx herum, nun meinte die Stadtverwaltung, die Sitzbänke in der Innenstadt sollten entfernt werden, damit würden auch die Punx entfernt. Ein dankbares Thema. Ihre Gruppe machte daraus eine Winnetou-Persiflage. Bionda verbrachte das Stück auf Roths Rücken, die ihr Pferd darstellte. Das war natürlich ganz ohne Anspruch, aber extrem lustig und die Zuschauer haben gejohlt. Das nächste Thema wollen sie singen, Carmen Melodien. Das könnte grausam für die Zuschauer werden. Viele einschlägige Ideen kommen von Roth. Roth ist für Bionda eine tolle Freundin, weil sie keine Konkurrenz ist. Sie rivalisieren nicht, dadurch kann Bionda sich ihr gut zuwenden. Die Sache hat leider einen Haken: Roth hat schon eine beste Freundin. Das ist so eine Zicke, wenn die ab und an mal auftaucht, sind die Mädels bei Roth abgeschrieben. Das ist verletzend für Bionda, aber, genau, der Drogenabend, da war Najiye, die Zicke auch dabei.
Also der Günther war da und hatte ein ganzes Löschblatt dabei,  genug für eine ganze Garnison. Der ewige Georg hatte sich selbst eingeladen, als er davon hörte. Damals hat Roth noch woanders gewohnt und ihre ganze WG mitgebracht. Abgesehen von Najiye sind das nette Leute, nämlich der Hans, der Martin, Brunella und der Marcellus. Marcellus war ganz offensichtlich in die kleine Zicke verliebt. Außerdem hatte Bionda noch ihrem Lieblingsbruder Bescheid gesagt. Der Günther ist ein echter Dealer, er hat zwar den Abend mit ihnen verbracht, aber selbst keinen Löschblattfitzel in den Mund gesteckt. Er hat sich eine Flasche Wodka mitgebracht, sich daraus bedient und zugeschaut, was so abgeht. Also waren sie neun Leute, die den Wahnsinn aus dem Löschblatt herausgekaut haben. Roth und Najiye waren Anfängerinnen. Roth war die Aufregung anzusehen, sie hatte die Augen weit aufgerissen, als sie sich das kleine Stück Löschblatt mit dem Stempel in den Mund schob. Die meisten waren ja sozusagen routiniert, also ging es bald zur Sache. Bionda, als Gastgeberin, gab die Gesetze des Abends heraus: immer gut drauf bleiben, darauf achten, dass genügend Kippen da sind, nicht auf den Fisch im Mund konzentrieren und so weiter.

Najiye zog sich bald mit Marcellus in Biondas Zimmer zurück. Das war Bionda ganz recht, dass die Alte sozusagen nicht mitfeiert. Wenn man in das Zimmer reinschaute, war das ein lustiges Bild. Najiye kauerte auf Biondas Bett und kaute auf ihrer Lippe. Offensichtlich überdachte sie den Lauf der Welt, oder versuchte zu entscheiden, ob Huhn oder Ei zuerst da war, oder ob Schiller oder Lessing der größere Dichter war. Marcellus saß vor ihr auf dem Boden und betrachtete sie andächtig. Man meinte in seinem Gesicht die aktuelle Entscheidung ablesen zu können: das ist die Frau meines Lebens und sie wird es für immer bleiben. Naja, Marcellus ist nicht Biondas Typ, also sollte er ruhig auf die Alte abfahren. In der Küche ging es richtig zur Sache. Georg, Roth und Bionda machten richtig was los. Freies Assoziieren auf LSD ist so frei und doch lässt sich alles verbinden, also fühlt man sich verbunden. Brunella, Martin und Biondas Bruder machten auch mit, aber sie waren nicht so aufgedreht und witzig. Der Abend würde super werden, das war schon nach kurzer Zeit klar. Inmitten von dem Getöse saß Hans ganz ruhig und dachte nach. Bionda fand das herausragend, wie konzentriert Hans war. Immer mal wieder kam  Najiye in die Küche gestürzt. Sie rannte zu Roth. Einmal tanzte sie glücklich herum und schrie „ich habs, ich habs“ und umarmte Roth. Ein anderes Mal kam sie heulend, schmiss sich in Roths offene Arme, todunglücklich „ich halts nicht mehr aus“ So ging das den halben Abend lang, mal so, mal so. Roth öffnete einfach die Arme, nahm hin, was da kam. Bionda will Roth auch als Freundin, das beschloss sie an diesem Abend. Was sie erst viel später merkte war, dass sie Najiye nicht verdrängen konnte. Bionda spielt bei Roth immer nur irgendeine Geige, aber keinesfalls die Erste. Irgendwann wurde ihnen die Küche zu eng und sie gingen raus. Die ganze Gruppe, das gab viel Energie und Sicherheit. Die Welt um sie herum war sehr verändert, aber in der Gruppe war das spaßig, aufregend und interessant. Brunella kletterte behände auf einen Baum. Dann saß sie da oben wie eine junge Katze, sie konnte nicht mehr runter. Biondas Bruder kletterte irgendwann rauf um sie zu retten, Bionda hätte Lust gehabt sie einfach dort sitzen zu lassen. Brunella nervt ja doch immer. Sie machten was her, sie waren laut, sie waren unterwegs. Anfänglich liefen sie durch das Stadtzentrum nach Norden. Es war toll, in so einer großen Gruppe, mitten in der Nacht in der leeren Stadt unterwegs zu sein. An jeder Litfasssäule  hielten sie an, um etwas zu entdecken, sich zu amüsieren. Sie hatten alle Zeit der Welt und nicht nur die Welt war komisch und verzerrt, auch die Zeit hatte ein ganz verzerrtes Tempo. Am folgenden Nachmittag fanden sie sich weit im Süden der Stadt wieder. Die Stadt ist nicht so groß, dass man Tage braucht sie abzulaufen. Keiner wusste, was sie die letzten Stunden getrieben haben, aber sie waren sicher, dass es lustig war. Langsam verzog sich das Gift aus ihren Körpern. Neben dem Wahn kam jetzt auch viel Erschöpfung. Die Turnseestraße war nah, dort konnten sie sich vor der Welt zurückziehen. Die Energie reichte nun nicht mehr um der fremden Welt die Stirn zu bieten. Sie  saßen im Zimmer von Hans und Martin zum Runterkommen.  Es war traurig den Wahn aufzugeben, aus diesem totalen Miteinander wieder zum Individuum zu werden. Aber alle waren so erschöpft, dass sie sich auch wünschten einfach Ausruhen zu können.

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