Rache ist jüdisch, Auge um Auge und so weiter. Jesus hat
immer alles verziehen. Mein Bauch ist jüdisch. Mein Kopf wohl eher christlich.
Kann mein Körper mit so einem Konflikt
leben?
Und dann auch noch Rache an der eigenen, geliebten Tochter.
Außerdem, was hat sie mir schon getan? Sie wollte mit mir reden, über ihre
Schuldgefühle mir gegenüber, die ich angeblich befördere, durch mein Verhalten.
Ok, so weit, so gut, sie darf mit mir reden, über alles, sagt mein Kopf. Mein
Bauch erinnert sich gar nicht so genau an das Gespräch, aber er fühlt sich
verletzt und zurückgewiesen. Jetzt will er sich rächen. Ich (mein Kopf) kann
gar nicht in Ruhe über das Gespräch nachdenken, mir Verhaltensweisen überlegen,
wie ich darauf reagieren will, weil sofort mein Bauch angeschwappt kommt und
sich massiv einmischt. Rache, Rache, Rache, sie soll betteln, dass alles wieder
so ist wie früher, aber Clint Eastwood ist eisenhart. So ungefähr kommt mein
Bauch daher. Ich möchte aber eine adäquate Reaktion auf das Gespräch, mein Kind
darf mich verletzen und auch zurückweisen, wenn es sich freistrampeln muss.
Wichtig sind ihre Freiheit und ihr Seelenheil, unsere Verstrickungen müssen
gelöst werden, wenn sie das braucht. Ich will mich etwas zurückziehen, ich will
ihr mehr Positives von mir erzählen und sie nicht mehr so unmittelbar wissen
lassen wo ich hadere. Ich will mich nicht mehr in dieser totalen Verfügbarkeit
präsentieren. Ich will ein bisschen
Distanz und Zensur im Kopf, nicht mehr reden ohne vorher zu denken. So. Ja. Das
kann in Rache umschlagen, weil, es ist eigentlich ein Entzug. So empfinde ich
das zumindest, ich ziehe mich da schon zurück, aber ich glaube, das ist das,
was sie will. Ich bin dann nicht mehr ganz und gar da, Nora, absolut, 100%. Das
erscheint mir wie ein großes Geschenk, Du bekommst die ganze Nora. Aber nein,
es ist eher ein Geschenk an mich, die ganze, ganze Nora gibt es nämlich nicht
woanders. Bei Nacije nicht, da bin ich immer etwas vorsichtig. Bei Kurt auch
nicht mehr, seitdem er mit Angelika ist, außerdem konnte er damit immer gar
nichts anfangen. Herbert vielleicht, am
ehesten, vielleicht jetzt noch mal probieren, wenn wir zusammen Urlaub machen.
Jedenfalls ist das eigene Kind auch nicht die richtige Adresse für Zweifel,
Ängste, dunkle Seiten. Schon die wahre
Mutter und kein Schein, aber das Kind soll mein Gewicht nicht spüren. Genau das
ist es. Meine Mutter hat mir immer so schwer auf dem Rücken gelastet, mache ich
das jetzt nach? Trägt mich die Kleine, ungefragt?
Also, ich muss meine Rolle neu definieren. Das Vorbild, das
einzige, was ich habe, ist meine eigene Mutter. Die war gut und nicht gut. Gut
in der Unaufdringlichkeit. Das ist aber auch ihre größte Fahne. Trotzdem hat
sie mir jahrzehntelang Rückenschmerzen beschert. Also, vordergründige
Unaufdringlichkeit hilft nicht viel, wenn sie ungesehen der Reiter mit der
Gerte ist. Aber es gibt hier nicht nur eine Seite. Was ist Tochter´s Anteil,
gut, den habe ich ihr in der Prägung vielleicht schon eingepflanzt. Sie
rutscht, genauso wie ich, in jede Verantwortungslücke, die sich auftut. Das ist
mindestens ihr Anteil, auch wenn ich das verursacht haben sollte. Aber, wie
jetzt da rauskommen?
Wir wollen das nicht mehr! Haha. Löst sich das so? Aber was
kann dann der Weg sein? Mehr Distanz? Ohne Rache! Sobald ich in die Rache
komme, binde ich sie ja wieder. Schuldgefühle! Das war ja der Ausgangspunkt und
da bin ich auch gleich wieder. Ich kann gut sehen, dass meine Racheimpulse
Schuldgefühle in ihr antriggern sollen. Gut. Die Rache ist übermäßig
kontraproduktiv, das ist offensichtlich. Ich will in Verbindung mit ihr sein.
Ich will leicht sein und dabei nicht getragen werden. Ich will mütterlich sein,
wenn ich so gebraucht werde und dabei nur Mutter sein. Ich will keine Freundin
sein. Nur Mutter. Was macht Mutter aus? Mutter ist da und im Hintergrund.
Mutter wird geliebt, spielt aber keine Rolle im eigenen Leben. Mutter weiß
viel, aber nur wenn sie gefragt wird. Mutter ist das Zentrum von Familie, Verbundenheit,
Mutter ist die Herkunft. Das hat alles aber nur Stellenwert, wenn es gebraucht
wird. Sonst ist Mutter nur im Hintergrund. Aus diesem Hintergrund kann Mutter
viel Kraft geben.
Verstrickungen mit der Mutter rauben Kraft, auch
gleichzeitig. Verstrickungen sollten gelöst werden, aber das ist wohl Aufgabe
von Therapeuten. Ich würde schon gerne helfen die Verstrickungen zu lösen, aber
ich bin involviert, wahrscheinlich kein guter Ratgeber. Ich kann ahnen, aber
nicht wissen. Schuldgefühle, darüber haben wir kurz gesprochen, dass auch ich ganz
viele Schuldgefühle ihr gegenüber habe. Da sitzen wir einander gegenüber, jeder
ein großes Paket Schuldgefühle zum Anderen, wenn wir sie in die Mitte schmeißen
könnten, würden sie sich dann amortisieren, oder Krieg der Sterne machen? Da
gibt es sicher auch noch viele andere komische Gefühle, die wir zueinander
herumtragen, die uns pflocken, binden, drücken. Was tun? Ich kriege
Bauchschmerzen, wie immer, wenn ich nicht weiterweiß. Es ist viel, zu viel und
kein Land in Sicht.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen