Freitag, 13. März 2015

IG Farben krass krank alles


Ach du Gott ach ne, was ist das nur für eine komische Welt in der Blues lebt. Gestern im VZ, das war wieder so erschreckend. Also, es ist ja so: man kommt rein, dann geht gegenüber die Treppe runter in den Keller, links geht es in das cräsh, halb links ist das kleine Schickeria, nach rechts geht’s ins Cafe. Dieser Verteilungsflur, in den man reinkommt ist auch groß. Da ist auch öfter mal was los, weil so viele Leute auf der Suche nach Spaß hin und her rennen. Die Punx  versuchen ihr cräsh für sich zu behalten, sie gucken jeden schräg an, von dem sie meinen, dass er da nicht hingehört. Aber das klappt nicht so, wie sie es gerne hätten. Neben der Tür, an der Wand steht groß „off limits für Roth“, weil die den Punx beim Plenum immer die Meinung geigt (oder heißt es flötet?), andererseits, jemand der sich  an ihrem Dosenbier ordentlich volllaufen lässt, ist immer willkommen, die Punx sind geldgeil. Naja, jedenfalls wollte Blues gestern vom Cafe ins cräsh laufen, da war im Flur eine große Menschenmenge, sie kam nicht voran. Beim näheren Hinsehen erwies sie sich als Zuschauerpulk. In der Mitte prügelten sich zwei Typen. Also prügeln wäre ja ok gewesen, das waren zwei riesige Kerle mit Glatzen und Bomberjacken (solche sieht man im VZ nicht oft), beide hatten riesige Ketten in der Hand, vielleicht 50 cm lang, mit denen schlugen sie aufeinander ein. Blues bekam sofort weiche Knie, als sie das sah. So schräge Typen…wollen die sich hier gegenseitig totschlagen? Was machen die ganzen Gaffer hier? Wollen die Blut sehen? Will da jemand mal einschreiten und denen sagen, dass sie sich woanders prügeln sollen, dass das hier keiner haben will?
Da waren schon letzte Woche welche da, die völlig unnötig waren. Mitten im Feiern hieß es, alle mal vor die Tür, es gibt einen Angriff. Angriff? Fragte sich Blues, was ist das schon wieder? Als sie auf den Hof kam, standen da vielleicht hundert Leute, Hasslacher, hieß es. Denen gegenüber stand der dicke Georg, der spielt sich gerne mal in den Vordergrund, er wollte mit ihnen reden. Alle anderen sammelten sich erstmal an der Tür und beobachteten. Georg stand so weit vorne, man konnte ihn reden hören, aber nicht verstehen, was er sagt. Plötzlich stand Georg in einem Flammensee. Jemand hatte einen Molli geworfen. Blues erschrak bis ins Mark, aber das war sehenswert: der dicke Georg, der sonst oft ein bisschen schwerfällig wirkt, machte aus dem Stand einen eleganten und weiten Sprung zur Seite und rieb seine brennenden Schuhe im Staub ab. Was eben noch überaus bedrohlich wirkte, hatte er ganz locker bewältigt. Die Hasslacher sind wohl genauso erschrocken wie Blues und als Georg wie ein strenger Vater auf sie einschimpfte, zogen sie bald ab. Was in Blues übrig blieb, war die Erkenntnis von Verletzlichkeit. Das VZ hat viele Feinde und die können sich jederzeit zusammenrotten.
Ja, Verletzlichkeit! Da war noch was, die Tage, was sie mehr und mehr erschreckt. Zuerst haben nur die Schwulen drüber geredet. Sie sehen es als Attacke auf ihre Lebensweise. Es heißt der amerikanische Geheimdienst habe es in die Welt gesetzt. Manche sagen es kommt aus Afrika. Typisch, denkt Blues, alles Schlechte kommt aus Afrika. Es ist eine neue Geschlechtskrankheit. Sie nennen es Aids. Gerüchte, Gerüchte, aber alles ganz beängstigend. Keiner weiß was genaues, aber alle reagieren drauf. Sie waren doch gerade sexuell befreit und jetzt das! Man könnte den Schwulen recht geben, das kommt doch von oben! Man könnte auch meinen, es kommt von den Kondomherstellern. Hätte Blues zuviel Geld, sie würde es in Kondomaktien investieren. In allen Wohnungen stehen jetzt Einweckgläser mit Kondomen. Lustig! Noch vor wenigen Wochen war das ein Riesenact, einen Kerl davon zu überzeugen ein Kondom zu benutzen. Das war so als würde ihm der Schwanz abfallen, müsste er ein Kondom überstülpen. Aber nein! Das ist alles nicht lustig! Angst geht um. Diese Angst entsexualisiert alle. Naja, viele. Die anderen beeinflusst es aber auch. Bis vor kurzem ging es nur um Lust. Lust geht gut nonverbal, jetzt geht es immer auch um Angst. Lust und Angst zusammen, da muss man reden. Sex ist plötzlich problematisch und wenn einer anders damit umgeht, dann ist es auch komisch. Blues sagt ihren Freundinnen nicht, dass es für sie kein so großes Problem ist. Für Blues ist Sexualität etwas sehr privates. Sie würde mit dem Thema niemals so hausieren gehen, wie es beispielsweise Bionda tut. Blues ist schüchtern und zurückhaltend, aber das ist eines ihrer vielen Geheimnisse. Blues verbringt gerne ihre Zeit mit den Freundinnen, aber in vielerlei Hinsicht unterscheidet sie sich von den anderen. Schon klar, sie sind alle Individuen und Bionda hat die Deutungshoheit, legt meistens fest, was so angesagt ist. Alle nehmen das hin und jede macht auf ihre Art ihr Ding. Blues schlägt sich mit ihrem Witz durch. Damit hält sie alle und alles auf Distanz, braucht sich über ihre Eigenheiten nicht auseinanderzusetzen, kann sich immer mit einem Scherz rausretten. Das ist vielleicht auch einer der Gründe für ihre vielen Verehrer. Also Blues sieht schon auch gut aus, sie hat lange Beine und ordentlich Holz vor der Hütte, das haben die anderen nicht. Aber sie ist keine Schönheit, wie Violet und hat auch nicht so ein einnehmende Wesen wie Bionda, aber wohl am meisten Verehrer. Blues macht es ihrer Umgebung leicht sie zu mögen. Sie ist immer unbeschwert und zum Scherzen aufgelegt. Ihre auffällige Distanz weckt vielleicht den Wunsch sich ihr zu nähern. So ein Pulk Verehrer macht das Leben aber auch nicht leichter. Das sind ja alles nette Jungs, aber keiner dabei, der sie vom Hocker reißt. Und da unterscheidet sie sich eben von den anderen. Die Mädels würden nun einen nach dem anderen in ihr Bett zerren, um zu schauen, was er so hergibt. Sowas mag Blues nicht. Sie weiß, wenn sie sich auf einen einlässt, kommt sie nicht mehr los, dann ist verletzlich, hat eine Pforte aufgemacht, die sie nicht mehr zukriegt. Deswegen hat sie ziemlich selten Sex und wenn sie welchen hat, dann verhütet sie mit Kondom. Also ist AIDS für sie kein so großes Problem.

Eigentlich ist Blues völlig unpolitisch, aber hier sieht sie dann doch mal die gesellschaftliche Relevanz. Das wird die Welt verändern! Die gängigen Sprüche: wer 2x mit der gleichen pennt gehört schon zum Establishment. Blues ist bestimmt keine Emanze, trotzdem hört sie  das Frauenfeindliche an dem Spruch. Aber darum geht’s jetzt grad nicht. Sexualität war mit Mühe frei vom Mottengeruch der letzten Generationen. Freud hätte vielleicht seine Freude gehabt: es ging nur noch um Lust, eigentlich. Und nun das! Angst und Sexualität passen nicht zusammen

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