Sonntag, 22. März 2015

IG Farben eine Hausbesetzung

Eine Hausbesetzung! Wow! Endlich! Das war alles so geil und aufregend! Puh. Die letzten Tage…richtig gut! Es fing an mit einer Reihe von Demos. Roth war wieder mit Brunella unterwegs, ist ja bekannt, die anderen Mädels sind keine Straßenkämpfer. Kurt, Bernd und der Andere waren auch dabei, also war Roth gut eingebettet und konnte alles unbeschwert genießen. Ja, die schönen Demos… es war Adventszeit, also war die Stadt voll mit kaufwütigen Wahnsinnigen, die übellaunig ihr Geld zum Fenster rauswarfen. Darum ging es bei den Demos. Jeden Samstag zogen sie in die Stadt. Motto: „Brot für die Welt, aber die Wurst bleibt hier!“ Vorher gab es immer ein Treffen in der „Erbse“. Das ist die Edel-Ausgabe der besetzten Häuser in der Stadt. Da wohnen viele große Herren der Szene. Da wird Politik gemacht, intellektuell palavert, das ist Roths siebter Himmel, da will sie hin. Also jeden Samstag früh dort treffen, sich schön machen (das heißt vermummen) und dann alle zusammen los zur „Kaufrausch- Demo“ Das hat richtig Spaß gemacht. Bei der letzten Demo, am 4. Adventssamstag haben sie sich richtig aufgebrezelt. So als Monster vermummt. Kurt und Bernd waren die Hauptdarsteller. Bernd war so eine Art Gollum und Kurt ein leprakranker Quasimodo.  Die Zwei robbten und humpelten, krabbelten und grunzten vor einem Mönch in Kutte herum, der Schwachsinn predigte und immer wieder skandierte der ganze Pulk „Brot für die Welt, aber die Wurst bleibt hier!“ War das ein Spaß! Roth war neidisch auf Bernd und Kurt, wegen ihrer Hauptrolle. Die Bullen waren sehr beschäftigt, aber die Demonstranten haben, wider Erwarten, nichts Böses gemacht. Also forderten die Bullen die Demonstranten einzeln auf, ihre Vermummung abzulegen. Das war aber oft nur Quark mit Leinsamen im Gesicht. Ist das eine Vermummung? Bulle, gib mir deinen Spachtel, damit mein Gesicht wieder zum Vorschein kommt!
Dieses Spektakel haben einige andere Leute genutzt, um ganz unöffentlich ein leerstehendes Haus zu besetzen. Roth war traurig, dass sie nicht dabei war, aber sie konnte halt nicht auf allen Hochzeiten tanzen. Schon am Nachmittag ging sie hin, um zu schauen, was da so los war, wer da war und so weiter. Ho! Da waren tolle Leute. Tolle Stimmung. Roth saß einige Zeit in der Küche herum, dann machte sie sich an das überquellende Waschbecken. Erstmal abwaschen. So schleimt man sich ein. Bernd und Kurt haben gleich gesagt, dass sie da einziehen wollen. Roth wollte auch mit! Da gab es Leute, die sagten, man kann nicht zwischen zwei besetzten Häusern hin- und herziehen. Warum eigentlich nicht? Fragte sich Roth, was spricht dagegen? Sie wollte unbedingt dabei sein. Da waren ein paar von den ganz großen Herren eingezogen. Das gäbe „eins rauf“ für Roth. Wenn sie mit denen unterwegs wäre, dann würde sie endlich respektiert, dachte sie, hoffte sie. Sie ließ sich noch einige Tage Zeit, dann ging sie zum Plenum und sagte, mit klopfendem Herzen, dass sie einziehen will. Stille. Dann sagte der Rolf, den sie uunheimlich toll findet mit einem Achselzucken: „naja, dann zieh doch ein!“ Seliges Kribbeln breitete sich in ihr aus, mit einem kleinen Grinsen und auch Achselzucken, sagte sie nur „ockkay“
So war das. Jetzt ist sie am Ziel ihrer Träume angelangt. In dem Haus wohnen 25 Leute. Das sind keine WGs oder so, alle Essen zusammen und bestreiten ihren Alltag zusammen. Es ist immer was los. Es kommt auch viel Besuch. Wann immer Roth in die Küche geht, sitzt da schon jemand. So kann sie ihrem inneren Abgrund für immer entfliehen. Den tollen Kerlen kann sie sich ganz behutsam nähern. Sie wird gesehen und akzeptiert, so wie sie ist. Sie ist glücklich und eine echte Gruppensau.
Der Winter ist kalt. Ein Glück gibt es in dem Haus genügend Leute, die sich mit Organisation gut auskennen. Das Haus muss winterfest gemacht werden. Wasser und Elektrizität müssen her. Es braucht Öfen, kaputte Scheiben müssen ersetzt werden, Holz muss rangeschafft werden. Roth hilft, wo sie kann. Sie ist ein Honk. Helfer ohne nennenswerte Kenntnisse. In der Not wäscht sie wieder ab, um sich einzubringen. Der Winter ist sehr kalt. Minus 18 Grad, das ist in dieser Stadt ungewöhnlich. Der Weg ins VZ ist jetzt weit. Wenn sie von dort mitten in der Nacht nach Hause kommt, ist das Blut in ihrem dicken Hintern gefroren. Dann missbraucht sie Kurt als Heizöfle. Ja sie hat von Bernd zu Kurt gewechselt.

 Sie musste Bernd natürlich mitnehmen. Wenn schon mal einer ganz offensichtlich auf sie abfährt, kann sie das nicht vorbeiziehen lassen. Aber sie fühlte sich von Bernd nicht erkannt. Sie war auf einem Sockel, konnte sich dort nicht bewegen, im Bett konnte sie sich auch nicht bewegen, weil sie mit ihren Ängsten beschäftigt war. Nach kurzer Zeit hatte sie genug davon, um es Bernd ordentlich reinzudrücken, hat sie Kurt schwer angebaggert und in ihr Bett gezerrt. Das hat soweit gut geklappt, aber Kurt ist, wider Erwarten, an ihr kleben geblieben. Das nimmt sie nun gerne in Kauf. Er entspricht nicht ihrem Beuteschema, aber vorübergehend ist das ganz ok. Er ist amüsant und immer da, wenn sie ihn braucht. Eben auch als Heizöfle. Mit dem kalten Arsch könnte sie niemals einschlafen. So geht es ihr richtig gut. In dem Haus sind einige Leute, die sie vorher nicht kannte. Viele von denen sind supergut drauf. Roth fühlt sich wie ein Tanzkreisel. Sie ist voll beschäftigt: die Bindung an Kurt und Bernd vertiefen, mit den vielen neuen Leuten richtig abfeiern, sich gegenüber den großen Herren ordentlich positionieren. Sie arbeitet sich in kurzer Zeit in die Mitte der Gruppe vor. Nachts laufen sie mit vielen Leuten den Weg ins VZ. Im VZ ist sie die Königin, sie kann Freibier besorgen, geht, wenn sie will, hinter die Theke, zeigt ihren neuen Freunden ihre alten Freunde. Und dann brennt es.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen