Mich hat so eine unbestimmte Verzagtheit ergriffen. Ja, ich
bin ergriffen, besonders durch das Unbestimmte hat sie, die Verzagtheit, mich
fest im Griff. Und ich muss mich festhalten, sonst fange ich an zu weinen.
Jetzt nicht, auch nicht bei der Arbeit, oder so, aber wenn ich nachspüre, bin
ich traurig und weiß nicht warum. Gegen Trauer ist nichts zu sagen, aber ich
bin so kausalgeil. Ich will den Grund wissen, also durchforste ich mein Hirn
nach Vorfällen, die mich verzagen lassen könnten…was finde ich? Die Sache mit
dem Kind. Tja, das kann´s sein. Die Sache ist noch nicht all zu lange her, ich
spüre ja auch immer noch die Racheimpulse. In meinem Kopf heißt sie oft doofe
Ziege, deutlicher Hinweis, dass ich noch nicht fertig damit bin. Und weiter
geht’s mit der Diskrepanz zwischen Kopf und Bauch. Das kann ich gar nicht
leiden. Mein Kopf denkt nach, oder schaut auf die Situation, das ist jetzt
nicht zum Jubeln, aber alles ok: das Kind will seine eigenen Wege gehen, die
Verstrickungen mit mir lösen, auch ich bin der Meinung, die Beziehung sollte
klarer, sauberer werden. Also Keller aufräumen, Schuldgefühle anschauen und
Leinen los. Ich bin ja auch der Ansicht, sie sollte ihre eigenen Wege gehen.
Was wollte ich in dem Alter von meiner Mutter? Gar nichts!
Wenn ich jetzt so meine Verzagtheit begucke, dann habe ich
den Eindruck, meine Tochter ist der Mittelpunkt meiner Welt und auch wenn ich
da nicht hingucke, weiß ich, sie ist der Mittelpunkt meiner Welt. Klar will sie
nicht der Mittelpunkt irgendwelcher Welten sein. Sowas mag ich auch nicht. Klar
soweit. Also nehme ich mir eine andere Spielfigur und rücke sie ins Zentrum.
Schön wärs, wie geht das? Ich hatte ihr schon gesagt, dass ich mich nicht, ihr
zu gefallen, neu verlieben kann. Schon klar, das wäre die einfachste Lösung,
Mama ist verliebt, das Kind ist raus aus dem Spiel. Als sie klein war, war es
wohl gut und richtig, die Beziehung so eng zu gestalten, eine 2-Raum-Familie.
Jetzt arbeiten wir einzeln an der Lösung der Situation, ich bin alt, langsam
und behäbig und hinke entsprechend hinterher.
Genug vom Kopf, da ist doch sowieso alles klar, jetzt will
endlich mal der Bauch gehört werden. Also, wenn ich erlaube, dass es einfach
unzensiert hochschwappt, das Gefühl, dann ist da immer noch Rache. Das ist mir
ja peinlich, dass ich so nachtragend bin. Und dann eben diese Verzagtheit, da
ist mein Leben hinter einer grauen Gardine verschleiert. Ich weiß schon, das
muss ich nur aushalten, irgendwann ist die Gardine wieder weg, so war es in den
letzten Jahren meistens. Aber es ist komisch, wenn das gleiche Leben, das vor
einem Monat noch schön war, jetzt nicht mehr schön ist. Meine Ziele sind die
gleichen, ich muss genau schauen, um zu merken, dass sie immer noch den
gleichen Stellenwert haben. Ja, klar, ich brauche einen Menschen, auf den ich
meine Gefühle fokussieren kann, aber, der ist mal nicht eben aus dem Hut
gezaubert. Ich weiß auch nicht so, wie man das macht, mit dem Verlieben, aber
das ist jetzt nicht das Thema.
Mein Lebenszentrum ist erst mal leer, wenn ich es schaffe,
das Kind da herauszurücken. Das ist nach 25 Jahren keine einfache Übung, aber
ich will es versuchen. Schon wieder Kopf, der über den Bauch herrschen will.
Mein Bauch lässt sich aber, glaube ich, nicht beherrschen. Er kotzt
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