Gestern bin ich mit dem Zug hier angekommen. Das war
aufregend: schon lange vorher waren die Hügelketten vertraut. Der Zug fuhr, das
Gefühl des Vertrauten in mir wurde immer
größer. Ich erkannte die Orte und Bahnhöfe entlang der Bahnlinie. Dann die
Außenbezirke der Stadt, ich hatte das Gefühl, die einzelnen Häuser
wieder zu erkennen. Der Zug fuhr über meine Straße, bevor er in den Bahnhof
einfuhr. Das ist Heimat. Ich wohne hier aber gar nicht mehr. Ich wohne weit
weg, vermisse diese Stadt scheinbar nicht und gestern bin ich hier, nach langer
Zeit, wieder mal angekommen. Ist es Heimat? Es ist so vertraut, jedes Blatt am
Baum scheint mir bekannt vorzukommen. Da ist wenig, was ich vermisst habe, aber
das Gefühl von Vertrautem ist sehr angenehm. Daheim ist das Bekannte, wenn
jeder Winkel und jede Ecke hundertmal angeschaut wurde und ganz nah herangewachsen
ist. Ich bin aus dem Zug ausgestiegen, durch den Bahnhof gelaufen und dann
zurück zu meiner Straße. Die Gesichtszüge der Passanten schienen auch so
vertraut, kenne ich die alle? Hat das Volk hier ein anderes Gesicht als in meiner
neuen Stadt? Beschwingt lief ich durch die Straßen, es ist gut so, ich werde
den Besuch in dieser Stadt in meiner ehemaligen Wohnung verbringen. Mein
Nachmieter und ich sind befreundet, dadurch geht das, da ist noch meine alte Küche,
da steht noch derselbe Küchentisch. Es ist auch der gewohnte Blick aus dem
Fenster, das gleiche Licht, die bekannten Geräusche, alles sehr vertraut. Da
ist nichts, was ich vermisst habe und doch ist alles ganz anheimelnd. Es sind
mehrere Schichten übereinander, das Alte, Vertraute, aber eben keine
Rückwendung, sondern alles ist jetzt und aktuell. Und es ist Heimat. Wie viele
Heimaten kann ein Mensch haben? Ich fühle mich nämlich gar nicht mehr fremd in
meiner neuen Stadt, dort ist auf jeden Fall mein zu Hause. Hier ist es ein
Eintauchen in meine eigene Geschichte mit dem Zeigefinger am Herz. Ich konnte
meine Ankunft hier krönen, indem ich meine beiden besten Freunde gestern noch
getroffen habe. Das wirkt wie Völlerei, Gier, die Beiden, nacheinander, am
Ankunftstag noch zu treffen. Aber es war richtig. Das war in Verbundenheit
baden. Oh ja, die Zwei vermisse ich in meiner neuen Stadt. Später habe ich
Musik gehört: Jupp Götz „Zeit, bleib stehen, ich will mal kurz nach hinten
sehen…“ Der trifft es schon recht gut. Aber bei mir braucht die Zeit nicht
stehen zu bleiben. Alles ist jetzt und aktuell und doch gibt es diesen
anheimelnden Blick nach hinten, ohne sich umzudrehen, das Hinten ist hier
vorne.
Viele Leute sagen: „Heimat ist da, wo meine Freunde sind.“
Das sehe ich jetzt auch so. Vielleicht sind es die Freunde, ich glaube, es ist
das Gefühl von Verbundenheit, das Heimat ausmacht. Aber ja, die Verbundenheit
kommt mit den tiefen, tragenden Freundschaften. In der neuen Stadt ist mein zu
Hause, in der alten Stadt ist meine Heimat, denn dort fühle ich mich verbunden,
in Freundschaft.
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